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Digits and Sounds: In Gedenken an Clarence Barlow – Symposium zum Leben und Vermächtnis eines Pioniers der Computermusik

5. Juli 2024 // 10:45 -19:00

Eine Reihe von Veranstaltungen in Köln und Hamburg in Gedenken an das Werk des Komponisten Clarence Barlow.

Das vom Musikwissenschaftlichen Institut der Universität zu Köln kuratierte Programm am 29. Juni finden Sie hier.

Clarence Barlow war ein führender Protagonist der algorithmischen Komposition und ein Pionier des Einsatzes von Computern in der Musikkomposition und verwandten Bereichen. Sein breit gefächertes Schaffen als Komponist, interdisziplinärer Forscher, Autor und Softwareentwickler gibt Anlass, verschiedene Facetten seines musikalischen und theoretischen Schaffens zu beleuchten. In zwei Konzerten werden instrumentale und elektronische Werke aus verschiedenen Schaffensphasen aufgeführt. Zwei Symposien widmen sich verschiedenen künstlerischen und wissenschaftlichen Aspekten von Barlows Werken und bieten persönliche Einblicke in Barlows Leben und Lehre. Während es in Köln um strukturelle und semantische Ebenen aus linguistischer und musikwissenschaftlicher Sicht, sowie um um interpretatorische Herausforderungen in Barlows Werken geht, liegt in Hamburg der Schwerpunkt auf klanglichen, musiktheoretischen und kompositorischen Aspekten.

Barlow verstarb im Juni 2023 im Alter von 77 Jahren. Er war bekannt für seine Pionierarbeit auf dem Gebiet der Computermusik und der computergestützten Musiktheorie. Er legte den Grundstein für den musikalischen Konzeptionalismus und seine eigene Richtung: des Spektralismus. Sein außergewöhnlicher Humor (zu dem zahllose Variationen seines eigenen Namens gehören) war tief verwurzelt in seinem ausgeprägten Sinn für Sprache und semantische Mehrdeutigkeit. Er wurde am 27. Dezember 1945 in Kalkutta in eine katholische und englischsprachige Enklave hineingeboren, wurde in westlicher klassischer Musik ausgebildet und kam erst mit 18 Jahren mit der klassischen indischen Musiktradition in Berührung.

Als Pianist ausgebildet, begann Barlow im Alter von 11 Jahren zu komponieren und entdeckte im Alter von 15 Jahrendurch die Angebote des örtlichen Goethe-Instituts die zeitgenössische Musik. Mit einer Begabung für Mathematik und Astrophysik erlangte er einen Bachelor-Abschluss in Naturwissenschaften, unterrichtete aber auch Musiktheorie am Konservatorium von Kalkutta, bis er 1968 nach Köln zog, um bei Bernd Alois Zimmermann und, nach dem Tod seines Lehrers 1970, bei Karlheinz Stockhausen zu studieren.

Clarence Barlow lehrte ab 1982 bei den Darmstädter Ferienkursen. Außerdem unterrichtete er ab 1984 Computermusik an der Musikhochschule Köln und hatte ab 1990 mehrere Positionen am Königlichen Konservatorium in Den Haag inne. Von 2006 bis 2019 war er Corwin Professor und Leiter des Fachbereichs Komposition an der University of California, Santa Barbara. Barlow begann 1971 mit dem Komponieren am Computer und entwickelte komplexe Software für algorithmische Komposition und Musikanalyse. Er hat rund 70 Instrumental- und Vokalwerke und etwa 35 elektronische, elektroakustische und multimediale Werke geschaffen. Sein künstlerisches Schaffen wird von zahlreichen Text- und Buchveröffentlichungen als Autor und Herausgeber begleitet. Barlow war Mitglied des Kölner Feedback Studio Verlags und Mitbegründer der Initiative Musik und Informatik Köln – GIMIK e.V.

Den Livestream findet ihr auf unserem Youtube Kanal.

Symposium
10:45 - 11:00 Uhr: Begrüßung
Begrüßung durch den Präsidenten der Hochschule für Musik und Theater, Jan Philipp Sprick.
11:00 - 11:30 Uhr: Vortrag 1 - Georg Hajdu: Learning from the Master
Clarence Barlow war ein wichtiger Einfluss während meiner prägenden Jahre, als ich mich von einem Molekularbiologen mit Interesse an experimenteller Musikkomposition zu einem Komponisten mit Interesse an den Wissenschaften entwickelte. Als ich ihn 1980 kennenlernte, erlebte ich fast ein Jahrzehnt lang seine enorme Kreativität, seine Verspieltheit und seinen Witz, bevor ich nach Kalifornien zog, um in Musik zu promovieren. Ein Großteil meiner Arbeit ist eine Weiterführung und Ausarbeitung seiner und verwandter Ideen, die sich in meinen Kompositionen, meiner theoretischen Arbeit und meiner Softwareentwicklung manifestieren.

Foto: Jasmin Gritzka

Georg Hajdu, geboren 1960, ist ein deutscher Komponist und Professor. Nach seinem Studium der Molekularbiologie und Komposition in Köln sowie der Computermusik am Center for New Music and Audio Technologies (CNMAT) der UC Berkeley promovierte er 1994. Zusammen mit dem Librettisten Thomas Brasch schrieb er die Oper Der Sprung – Beschreibung einer Oper. Im Mai 2002 wurde seine vernetzte Performance-Umgebung Quintet.net in einer Multimedia-Oper auf der Münchner Biennale für zeitgenössische Oper eingesetzt. Im selben Jahr wurde er als Professor für Multimedia-Komposition an die Hochschule für Musik und Theater Hamburg (HfMT) berufen, wo er 2004 den ersten Masterstudiengang für Multimedia-Komposition in Deutschland und 2012 das Zentrum für mikrotonale Musik und Multimedia (ZM4) gründete. Im Jahr 2010 war er Artist in Residence am Goethe-Institut in Boston und Gastprofessor an der Northeastern University. Darüber hinaus war er an einer Reihe von nationalen und internationalen Projekten beteiligt, wie dem Projekt CO-ME-DI-A im Rahmen von Kultur 2007, und ist Gründungsdirektor des ligeti zentrums.

11:30 - 12:00: Vortrag 2 - Richard Barrett: The Journey Continues: Bus Journey to Parametron as a point of departure
Clarence Barlows Buch Bus Journey to Parametron ist ein Bericht über die Forschungs- und Kompositionsprozesse in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, die zu seinem Klavierstück Çoğluotobüsişletmesi führten, aber es beinhaltet auch radikal neue Denkweisen über musikalisches Material und Strukturen, die weit über Clarence’ eigene Musik hinausgehen, so dass es als wertvoller Beitrag zur „künstlerischen Forschung“ im Sinne einer künstlerischen Praxis des 21. Jahrhunderts gesehen werden kann, die Wissen mit viel breiterer Anwendbarkeit aufwartet.

Richard Barrett (Swansea, 1959) ist ein Komponist und Interpret von Musik, dessen Werk sowohl komplex strukturierte Kompositionen als auch freie Improvisationen umfasst, die oft in enger Nachbarschaft zueinanderstehen. Er gehört zum Lehrkörper des Instituts für Sonologie in Den Haag und der Universität Leiden und ist Autor zweier Bücher, Music of Possibility und Transforming Moments (Vision Edition 2018 und 2023).

12:00 - 12:15 Uhr: kurze Pause
12:15 - 12:45 Uhr: Vortrag 3 - Marc Sabat: Comparing Relative Harmonicities of Pitch Sets Using Harmonic Radius
Der harmonische Radius bietet eine neue Perspektive für den Vergleich der relativen Harmonizität von Tonhöhenkollektionen, die in rationaler Intonation (JI) gestimmt sind. Mithilfe einer einfachen Berechnung, die während des Spielens in Echtzeit ausgeführt werden kann, ermöglicht der harmonische Radius es Musikern, Klänge der mikrotonalen JI weiter zu erforschen und Verbindungen zwischen Intonation und Psychoakustik der Harmonie zu finden. Mithilfe verschiedener Formen des harmonischen Radius ist es möglich, Intervalle, Akkorde, melodische Gamben und kompakte otonale Teilmengen des harmonischen Raums, die höhere Primzahlen enthalten, zu erzeugen und zu vergleichen und dabei die Möglichkeiten für Modulation und Harmonizität zu optimieren. Die Bewertung des harmonischen Radius für Teilmengen (Zweiklänge, Dreiklänge usw.) bietet einen Ansatz, um die „Komplexität“ verschiedener Skalen zu vergleichen.

Der kanadische Komponist ukrainischer Abstammung Marc Sabat (*1965) lebt seit 1999 in Berlin. Er komponiert Stücke für Konzerte und Installationen und lässt sich dabei von seinen laufenden Forschungen über den Klang und die Wahrnehmung der mikrotonalen rationalen Intonation (JI) inspirieren. Als Komponist weitgehend Autodidakt, studierte Sabat Violine an der University of Toronto, an der Juilliard School in New York und Computermusik an der McGill University und arbeitete privat u.a. mit Malcolm Goldstein, James Tenney und Walter Zimmermann. Mit Wolfgang von Schweinitz entwickelte er die Erweiterte Helmholtz-Ellis JI-Tonhöhen-Notation und ist ein Pionier der in JI geschriebenen und aufgeführten Instrumentalmusik. Sabats Werke werden international präsentiert, sind online verfügbar und in zahlreichen Ausgaben veröffentlicht. Er lehrt Komposition sowie Theorie und Praxis der Intonation an der Universität der Künste Berlin und ist derzeit Doktorand an der Sibelius-Akademie Helsinki. Zusammen mit seinen Kolleginnen Catherine Lamb und Rebecca Lane hat er 2019 das Harmonic Space Orchestra mitinitiiert.

12:45 - 13:15 Uhr: Vortrag 4 - Lucie Nezri: Für Simon Jonassohn-Stein, für Orgelpark
Im vergangenen Februar hatte ich die Gelegenheit, eine Version von Clarence Barlows Für Simon Jonassohn-Stein für die beiden programmierbaren Orgeln im Orgelpark (NL) zu schreiben. Dieses kurze und faszinierende Stück, das ursprünglich für die Orgel der Sankt-Peter-Kirche (DE) komponiert wurde, fasst Barlows algorithmisches Modell der Choralsynthese zusammen, das auf Mathematik, insbesondere Algebra und Geometrie, basiert. Während dieser Präsentation werde ich die Kernaspekte des Stücks vorstellen und gleichzeitig betonen, wie spekulativ und unterhaltsam das gesamte Projekt war.

Foto: Jente Waerzeggers

Lucie Nezri ist eine Komponistin, Künstlerin und Performerin, die in Hyères (FR) geboren wurde und derzeit in Den Haag (NL) lebt. In ihren Stücken kombiniert sie algorithmische Kompositionstechniken, die auf Wahrscheinlichkeiten basieren, mit einem Fokus auf Harmonie und Stimmung. Nezri ist auch besonders daran interessiert, verschiedene Versionen ihrer Stücke anzufertigen und zu erforschen sowie algorithmische Stücke anderer zu rekonstruieren, um diese Werke aus verschiedenen Blickwinkeln zu verstehen und zu betrachten.

13:15 - 14:15 Uhr: Mittagspause
14:15 - 14:45 Uhr: Vortrag 5 - Bernd Härpfer: Building on Barlow's Quantification Methods: an extended indispensability
Ein wichtiges Instrument Barlows ist die Quantifizierung von Harmonie und Takt. Er betonte die Isomorphie zwischen beiden, indem er die Periodizität als gemeinsame Grundlage identifizierte und so verschiedene Phänomene und Zeitskalen miteinander verband. Er konzentrierte sich auf die zugrundeliegenden numerischen Verhältnisse und entwickelte die Konzepte der Harmonizität und Metrizität, deren grundlegende Algorithmen er als Unverdaulichkeit und Unverzichtbarkeit beschrieb. Ich werde einen kritischen Blick auf die Unverzichtbarkeit werfen, meine Weiterentwicklung aufzeigen und Aspekte von Barlows Denkweise beleuchten, die ich durch persönlichen Kontakt vertieft kennengelernt habe.

Bernd Härpfer ist Komponist, Kunstforscher und Softwareentwickler. Studium der Komposition und Musikforschung am Institut für Sonologie, Den Haag und an der Universität zu Köln. Studien in algorithmischer Komposition bei Clarence Barlow. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IMWI, Hochschule für Musik Karlsruhe. Lehrbeauftragter an der Humboldt-Universität zu Berlin. Gastdozent an verschiedenen Universitäten und Instituten in Deutschland, USA und Korea. Vorstandsmitglied der Initiative Musik und Informatik Köln – GIMIK e.V.

14:45 - 15:15 Uhr: Vortrag 6 - Juan Sebastian Lach Lau: Gateways in Time and Space: on some derivative music works by Clarence Barlow
In diesem Vortrag werden die ästhetischen Wirkungen von drei Musikwerken von Clarence Barlow: 1981, Six Quatraines und Ludus Ragalis, näher beleuchtet, um herauszufinden, was sie im Hinblick auf die durch sie ausgelösten Übersetzungs- und Distanzierungsprozesse zu musikalischem Material aus verschiedenen Epochen und Kulturen so interessant macht. Die Stücke rufen ein Gefühl des Staunens hervor, provozieren Reflexionen über den Anspruch der Vergangenheit auf die Gegenwart und geben Einblicke in archetypische musikalische Verwandtschaften. Es werden Ideen und Sätzen von Walter Benjamin gelesen, die in Clarence’ Vorgehen wiederzufinden sind.

Juan Sebastián Lach Lau

Seine instrumentale und elektronische Musik verbindet generative algorithmische und interaktive Prozesse, mikrotonale harmonische Erkundungen und Transformationen, die auf verschiedene Musiken anspielen. Er tritt mit elektronischen Medien auf und komponiert in Zusammenarbeit mit Ensembles und Solisten. Er hat einen Doktortitel in künstlerischer Forschung und einen Master- und Bachelor-Abschluss in Komposition, nachdem er bei Clarence Barlow studiert hat. Er war Keyboarder der Rockgruppe Santa Sabina, mit der er 6 Alben aufnahm. Derzeit unterrichtet er an der ENES Morelia, UNAM, Mexiko.

15:30 - 16:00 Uhr: Vortrag 7 - Goran Lazarevic: Usage of Autobusk algorithms in health-related contexts, from BCMI to Healing Soundscapes
Clarence Barlow hat für sein 1986 entstandenes Stück „Variazioni e un pianoforte meccanico“ eine Reihe von Algorithmen zur Beschreibung verschiedener musikalischer Parameter erstellt und diese in seiner Atari ST-Software „AUTOBUSK“ verwendet. Prof. Dr. Georg Hajdu entwickelte sie später als langfristiges, immer noch laufendes Max/MSP-Softwareprojekt unter dem Namen DJster weiter. In meinem Vortrag werde ich einige Einblicke in die Funktionsweise und die Einsatzmöglichkeiten von DJster geben, mit besonderem Augenmerk auf einige Projekte, an denen ich selbst beteiligt war. Diese Projekte befassen sich sowohl mit der Echtzeit- als auch mit der Nicht-Echtzeit-Erzeugung von Partituren und Musik und haben ihre Wurzeln im Gesundheitsbereich – einige hatten das ehrgeizige Ziel, eine brauchbare BCMI-Schnittstelle zu schaffen, um Patienten im vegetativen Zustand und solchen, die unter dem Locked-in-Syndrom leiden, zu helfen, und ein anderes, immer noch aktives Projekt befasst sich mit der Erzeugung von Musik für die Wartebereiche von Krankenhäusern.
16:00 - 16:30 Uhr: Vortrag 8 - Purva Gujar-Kale: Porting Bhatkhande's Hindustani Sangeet Paddhati to Western Staff Notation
Vishnu Bhatkhande (1860 – 1936) revolutionierte die Theorie der klassischen nordindischen Musik, indem er die Ragas in zehn Thaats einteilte. Sein bahnbrechendes Werk, Hindustani Sangeet Paddhati, umfasst über 1900 Kompositionen für mehr als 150 Ragas. Trotz teilweiser Transkriptionen durch Walter Kaufmann im Jahr 1968 bleibt Bhatkhandes Werk unübersetzt. Um diese Lücke zu schließen, habe ich InSargam entwickelt, einen Notationseditor für klassische indische Musik, der die digitale Notation für ICM standardisiert und die Konvertierung aller mehr als 1900 Kompositionen in westliche Notensysteme ermöglicht und so die Zugänglichkeit für die westliche Musikgemeinschaft erleichtert.

Purva Gujar-Kale, technische Produktmanagerin und Ingenieurin bei Dolby Labs, hat zum Ingenieurteam des Dolby Atmos Cinema Sound System beigetragen, das bei den technischen Oscars 2024 mit einem Academy Award ausgezeichnet wurde. Sie hat einen Bachelor of Engineering in Elektronik und einen Master und Doktor in Medienkunst und -technologie von der University of California Santa Barbara. Sie ist Mitbegründerin der ICMA Foundation, die sich für die Erhaltung der klassischen indischen Musik einsetzt.

17:00 - 18:00 Uhr: Round Table
18:00 - 19:00 Abendessen und Empfang

Veranstaltungsort

ligeti zentrum, 9. Stock
Veritaskai 1
Hamburg, 21079 Germany
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